Jusos Rhein-Neckar

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Beschluss: Politisch-kulturelle Freiräume für Jugendkultur

Veröffentlicht am 03.05.2012 in Beschlüsse
 

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Auf unserer Jahreshauptversammlung am 26. April 2012 haben wir unsere Forderungen zu jugendkulturellen Freiräumen in Heidelberg beschlossen. Diese haben wir auf der Kreisdelegiertenkonferenz der SPD Heidelberg am 09. Mai 2012 eingebracht und dort ist er ohne Änderungen und ohne Gegenstimme angenommen worden.

 

Politisch-kulturelle Freiräme für Jugendkultur

 

Einleitung und Analyse

Nach über zehn Jahren größtenteils ergebnis- und folgenloser Diskussion in der politischen Landschaft Heidelbergs stehen aktuell 1700 m² Freiraum zur Gestaltung zur Verfügung. Als politische Jugendorganisation haben wir die Diskussionen stets verfolgt.

 

 

Nachdem in den vergangenen Jahren verstärkt die Kulturpolitik in den Fokus der städtischen Politik kam (Kulturbürgermeister*in, Beauftragte*r für Kreativwirtschaft), stellen wir fest, dass die Jugendkultur, zumal die politische, immer noch unzureichend in der Debatte vertreten ist. Erfreulicherweise können wir beobachten, dass sich über die letzten Jahre eine Lobby für Teilaspekte der Jugendkultur, namentlich die Bandkultur, gebildet hat. In der Folge beherrschte dieser Aspekt auch die öffentliche Diskussion und führte im Ergebnis zu neuen Bandproberäumen in Heidelberg.

 

Trotzdem gibt es einen breiten Teil von Jugendkultur, der in Heidelberg immernoch nicht genügend Chancen hat. So fehlt es an unkommerziellen Angeboten, die es marginalisierten und ökonomisch prekären Gesellschaftsschichten ermöglichen an politischen und unpolitischen Freizeit- und Kulturangeboten teilzuhaben. Darüber hinaus existieren bei weitem nicht ausreichend Räume zur stundenweisen, aber regelmäßigen Nutzung durch selbstorganisierte Jugendgruppen. Der größte Teil der Heidelberger Jugendkultur findet hinter den Schranken von (Sport-, Kultur-, und Musik-) Vereinen oder unter staatlicher Kontrolle in und an Schulen statt. Dem Vereinswesen kommen auch zum überwiegenden Teil die anerkennenswerten städtischen Zuschüsse zum Stadtjugendring zu Gute, während selbstorganisierte Jugendgruppen ohne eigenen Erwachsenenverband, auf dessen Strukturen, Gelder und Räume sie zugreifen können, ungefördert bleiben. Selbstorganisiertes Engagement ohne Vereinsstatus hat es außerhalb des universitären Umfeldes in Heidelberg (Räume der Fachschaften und Zentrales Fachschaftenbüro an der Universität Heidelberg und Studierendenhaus ZEP der PH) sehr schwer.

 

Als Folge von durchkommerzialisierter Freizeit- und Feierkultur existieren keine Freiräume fernab der kapitalistischen Normalität unserer Zeit. Die Menschen sind selbst in ihrer Freizeit, außerhalb der Erwerbsarbeit, der Ausbildung, der Produktion dem System aus Verwertungs- und Profitinteressen unterworfen. Von dieser Realität gibt es nur wenige Ausnahmen. Die wenigen existierenden Freiräume sind quasi ständig von der Schließung durch Behörden oder Vernichtung durch die Ausweitung der kommerziellen Sphäre oder Profitstreben durch Immobilienprojekte bedroht. Selbst Freizeitgestaltung im öffentlichen Raum ist bisweilen Anfeindungen ausgesetzt und von Verboten bedroht.

 

Daher ist es Zeit für neue politisch-kulturelle Freiräume für Jugendkultur in Heidelberg. Die Verdrängung aus der Mitte des Stadtgebietes an die Ränder und in die urbanen toten Ecken, aus dem Denken der städtischen Eliten muss ein Ende haben und einem neuen Denken in den Köpfen, frei von Diskriminierung, frei von Fremdbestimmung, frei von der kapitalistischen Normalität Platz machen.


 

Forderungen

Für uns Jusos umfasst Jugendkultur mehr als Musik und Kunst. Wir möchten die Interessen der Jugendlichen in ihrer ganzen Vielfalt berücksichtigen. Dazu gehören neben Bandkultur mit Proberäumen und Auftrittsmöglichkeiten auch politische und alternative Initiativen, SchülerInnengruppen (auch Abschlussjahrgänge), Organisationen junger Leute mit Migrationshintergrund oder einzelne Jugendliche, die einen Ort zum kreativ sein suchen.

Wir Jusos fordern daher:

  1. die Bereitstellung offener Arbeits- und Veranstaltungsräume, die unentgeltlich von verschiedenen Gruppen genutzt werden können, z.B. für politische Gruppenarbeit, Infoabende, Nachhilfestunden, Freizeitgestaltung ohne Kosten und Konsumzwang, Konzerte, Partys, Volksküchen, etc. in Selbstverwaltung.

  2. verlässliche, d.h. dauerhaft am selben Ort bestehende, Räume für ehrenamtliche Kinder- und Jugendarbeit in Gruppenstunden.

  3. die verlässliche Garantie, dass die Preisgestaltung der Angebote nach der Einrichtung so ist, dass unterprivilegierte und ansonsten ausgegrenzte Schichten Zugang haben, der gegenüber den sonstigen lediglich kommerziellen Angeboten deutlich erleichtert ist. Daher müssen für ehrenamtlich geführte Jugendgruppen bezahlbare Mietpreise der Räume realisiert werden.

  4. den demokratischen Zugang zu den bereitgestellten Räumen, d.h. sowohl eine breit angelegte Bewerbung der Räumlichkeiten, als auch Ausschreibung und Nutzungsmöglichkeit der Räume für alle non-faschistischen Jugendorganisationen in gleichem Maße. Sind die Räume regelmäßig von Dauernutzer*innen belegt, müssen weitere Räume geschaffen werden.

  5. einen Veranstaltungsraum in einer Größe, die privatorganisierte Feiern z.B. Schulabschlusspartys zulässt. Der Raum muss in Selbstversorgung (Getränke, Speisen, Kasse, Soundsystem) betrieben werden können.

  6. dass Stellwände vor dem ehemaligen Verwaltungsgebäude errichtet werden um diese als öffentliche Graffiti-Fläche zu nutzen.

  7. dass die Nutzung nur gemeinnützigen Non-Profit-Organisationen und Initiativen, möglichst mit ehrenamtlichen Helfer*innen, offen steht.

  8. die unbedingte barrierefreie Gestaltung der Räume in Zugang und Sanitärausstattung, um damit die Teilhabe aller zu ermöglichen.

  9. öffentliche Lebens- und Aufenthaltsräume (z.B. mit Sofa, Tisch, Kicker, Spielen, günstigen Getränken, etc.). Dazu sollen Sozialarbeiter*innen/in Kinder- und Jugendarbeit geschulte Ehrenamtliche (z.B. von den Falken oder anderen Kinder- und Jugendorganisationen) als Ansprechpartner*innen, bzw. teilweise als Aufsichtspersonen eingestellt werden. Sie sollen sich dabei weitestgehend im Hintergrund halten und vor allem die Rolle eines/r Helfer*in einnehmen, auf die/den die Nutzer*innen der Räume zugehen können.

  10. dass die Stadt bei der Art und Weise der praktischen Bereitstellung dieser Räumlichkeiten dafür Sorge tragen muss, dass der Charakter als Freiräume mit größtmöglicher Eigenständigkeit gewährleistet bleibt. Konkret heißt das, dass die Räume nicht mit ungenauen Vorgaben an “irgendeinen Verein” oder ähnliches vermietet werden dürfen. Sollte sich kein Verein finden, der mit dem dargestellten Nutzungskonzept übereinstimmt und dies ausführt, muss die Stadt selbst die Verwirklichung der dargestellten angestrebten Nutzung sicherstellen. In diesem Fall könnten beispielsweise die Helfer_innen als Anlaufstelle für die Koordination der Belegung der Gruppen(arbeits)räume auftreten.

  11. dass der Kauf und die Nutzungsvergabe des Gebäudes Dischingerstr. 5 nicht das Ende der Bemühungen der Stadt Heidelberg um geeignete Räume und Flächen für Jugendliche in Heidelberg darstellt. Nach über zehn Jahren Diskussion, dem darin aufgezeigten Bedarf und trotz alledem Stillstand, kann Jugendkultur nicht mit einem einzigen zusätzlichen Standort abgefrühstückt werden. Die Dischingerstr. 5 kann nicht gleichzeitig erstens selbstverwaltete Freiräume, zweitens einen Ersatz für die Halle02 in ihrer alten Form, drittens Ersatz für das Kosmodrom, sowie viertens Räume für politische Kinder- und Jugendarbeit unter diesem einen Dach bieten. Daher müssen im Zuge der Konversion der US Liegenschaften weitere Räumlichkeiten in einem der zentralen Stadtteile (Altstadt, Bergheim, Neuenheim, Südstadt, Weststadt, Bahnstadt) eingerichtet werden.

12. die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln muss gewährleistet sein. Der Weg von der Haltestelle zum Jugendzentrum darf 500m nicht überschreiten und muss nachts gut beleuchtet sein.

13. die bauliche Ausstattung der unkommerziellen Angebote in der Dischinger Str. 5 durch die Stadt Heidelberg.

14. dass bei zukünftigen Räumlichkeiten auch auf das Vorhandensein von Grün- und Außenflächen geachtet wird.

15. dass das Nutzungskonzept für die Dischinger Straße 5 diese Ansprüche berücksichtigt und demokratisch entschieden wird.

 

 

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