Jusos Rhein-Neckar

Jusos Rhein-Neckar

Beschluss: Lärm in der Altstadt_NEU

Veröffentlicht am 19.07.2010 in Beschlüsse
 

Wir haben unseren alten Beschluss zum Runden Tisch "Lärm in der Altstadt" überarbeitet und ergänzt. Es ist ein gemeinsamer Antrag der Jusos Heidelberg und des SPD Ortsvereins Altstadt-Schlierbach für den Kreisparteitag der SPD Heidelberg.

Zur aktuellen Diskussion um den 'Lärm in der Altstadt' äußern sich die
Jusos Heidelberg wie folgt:

LÄRM IN DER ALTSTADT – UNTERSCHIEDLICHE INTERESSEN:

In der aktuellen Diskussion scheint sich ein Gegensatz zwischen verschiedenen Interessen ergeben zu haben, die in verschiedenen BürgerInnen-Initiativen ihre Artikulation gefunden haben. Da wir finden, dass alle Beteiligten berechtigte Interessen haben muss ein Ausgleich zwischen den berechtigen Interessen der AltstadtbewohnerInnen und denen der friedlich feiernden AltstadtnutzerInnen stattfinden. Exzesse, wie Urinieren, oder Ruhestörungen können nicht geduldet werden und sind auch bisher verboten. Allerdings ist es zur Verhinderung dieser Ausschreitungen nicht gerechtfertigt, die Freiheit aller BewohnerInnen und Gäste einzuschränken. Hier muss ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Prävention, sozialer Kontrolle und notwendiger Repression bei Grenzüberschreitung gewahrt bleiben.

In der Heidelberger Altstadt prallen verschiedene Interessen aufeinander:

- die der AltstadtbewohnerInnen: Sie profitieren in besonderem Maße von der gewachsenen Struktur der Altstadt, die diesen Stadtteil lebenswert macht, aber auch Nachteile bringt.

- die der friedlich Feiernden oder sonstigen friedlichen NutzerInnen (Theater- oder KinogängerInnen, SpaziergängerInnen, etc.): Sie haben z.B. ein Interesse daran, Sitz­möglich­keiten im Freien zu besuchen.

- die exzessiven NutzerInnen, die als eine Minderheit die Interessen der vorgenannten Gruppen nicht respektieren.

Es ist nicht akzeptabel, dass Kulturangebote, wie Theater, Kneipen, Konzerte, Livemusik oder Public Viewing, die allgemein als Bereicherung der Kulturszene angesehen werden, aufgrund von Störungen einiger weniger nicht mehr möglich sind. Was die „Rechte“ der RuhestörerInnen und WildpinklerInnen angeht: Diese werden durch eine Vielzahl von Gaststätten-, Jugenschutz- und polizeirechtlichen Maßnahmen bereits jetzt untersagt. Abhilfe wird nicht durch weitere Verbote geschaffen, denn das nicht akzeptable Verhalten ist bereits verboten. Die Verbote wirken aber nicht ohne Durchsetzung. Staatliche Eingriffe sind als letzte sicher wirkende Möglichkeit sinnvoll und nötig, können das Problem aber nicht umfassend lösen.

UND: HEIDELBERG, DIE SCHÖNE

Heidelberg wirbt für sich mit seinem charmanten Äußeren und seiner Universität. Es wirbt auch mit seinem jungen, toleranten und klugen Geist, um nicht „lebendig“ zu sagen. Dass an Werbung nicht immer nur Wahres ist, sieht man unter anderem am 58-Punkte-Papier des „Runden Tisches“ zum „Lärm in der Altstadt“.

Es ist (erstaunlich)verwunderlich, dass ein Maßnahmenkatalog, der das Ergebnis dieses Runden Tisches zusammenfasst in keiner Weise auf die Bedürfnisse der Unter-30-jährigen und anderen friedlich Feiernden eingeht. Wir wollen es nicht hinnehmen, dass VertreterInnen, die Feiernde in der Altstadt gerne als asoziale WandkotzerInnen und WildpinklerInnen verunglimpfen, diese Debatte für sich monopolisiert haben. Es gibt schließlich eine Menge, nicht nur junge, Leute, die gerne in angenehmer Stimmung mit Fremden und FreundInnen gesellig sind, trinken, Musik hören und feiern, weil es ihnen schlicht gefällt.

VERSCHLOSSENE AUGEN VOR DEN ECHTEN PROBLEMEN

Die Erkenntnis, dass die Jugend aus der Region oftmals keinen ihr gerechten Platz mehr für sich sieht, keine Freiräume im öffentlichen Raum und im privaten Umfeld mehr hat und sich deshalb in Heidelberg austobt, ist in die Verwaltung der Stadt Heidelberg noch nicht durchgedrungen. Symptomatisch und beispielhaft für die Verdrängungslogik des Polit-Establishment ist hierbei die ewig nicht zum Ziel führende Diskussion um das Bahn­betriebs­werk und seine Vorgängerprojekte um endlich die nötigen kostenlosen Freizeitaufenthalte für Jugendliche zu schaffen.

KEIN KONSENS, NUR DISSENZ

In Gesprächen mit Betroffenen zeigt sich, dass der Graben hierbei nicht zwischen politischen Lagern verläuft, sondern zwischen den Generationen und sozialen Klassen.

Die Altstadt ist als Zentrum Heidelbergs der Teil, an dem sich auch Probleme des Heidelberger Einzugsbereichs zentrieren. Die beschriebenen Probleme entstehen normaler­weise in Diskothekenbezirken und nicht in Kneipenvierteln, wie es die Altstadt ist. Aber auch Kneipenviertel sind nicht ruhig. Es scheint für die Tourismusstadt Heidelberg widersinnig das Kneipenviertel als Herz der Altstadt durch zu rigide Maßnahmen unattraktiv zu machen. Wer ins Herz der Altstadt zieht, darf sich nicht an deren Pulsschlag stören.

Die SPD Heidelberg stellt sich entschieden gegen polizeistaatliche Maßnahmen.

FORDERUNGEN

Die Jusos Heidelberg fordern deshalb:

1. Die gegenwärtige Diskussion muss nüchterner, sachlicher und problemorientierter geführt werden. Kneipenszenen finden sich in jeder Großstadt; sie sind ein Aspekt des gesellschaftlichen Miteinanders und grundsätzlich erst einmal unproblematisch. Daher muss dringend hinterfragt werden ob es sich bei der skizzierten Situation um ein Problem der gesamten Gesellschaft oder um das Partikularinteresse von anwohnenden AltstädterInnen handelt.

2. In die gegenwärtige Diskussion müssen alle gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere auch Jugendliche, Studierende und junge ArbeitnehmerInnen mit einbezogen werden. Dies kann zum Beispiel durch Ansprache der organisierten Jugendverbände geschehen.

3. Wir sehen in den bestehenden Problemen ein Vollzugsdefizit und nicht ein Regelungsdefizit. Auf die Ausgewogenheit der Maßnahmen ist zu achten; es fehlt nachts immer noch ein besetzter Polizeiposten in der Altstadt.

4. In Heidelberg gibt es zu wenig unkommerziellen Freiraum für Jugendliche und Heranwachsende. Die Kommune muss hier ihrer sozialen Fürsorgepflicht und Verantwortung nachkommen.

5. Wir fordern den Einsatz von StreetworkerInnen, die in kritischen Situationen besonders unter den jugendlichen Feiernden zur Deeskalation beitragen sollen.

6. Das Angebot an Moonlinern innerhalb des Heidelberger Stadtgebiets und der S-Bahn-Fahrplan (u.a. OEG, S-Bahnen Richtung Karlsruhe, Mannheim, Osterburken) in die umliegenden Gemeinden müssen ausgebaut werden. Damit werden Stoßzeiten, zu denen alle BesucherInnen die Altstadt verlassen, vermieden.

7. Heidelbergs Altstadt soll für friedlich feiernde Menschen offen bleiben. Die Kneipenlandschaft der Altstadt charakterisiert Heidelberg wie kaum etwas anderes. Sie ist Anziehungspunkt für die verschiedensten Menschen.

8. Ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen lehnen wir ab.

9. Auch Menschen die nichts konsumieren, müssen weiter den öffentlichen Raum nutzen können, auch mit Bier oder Wein, etc, in der Hand. Die unkommerzielle Nutzung des öffentlichen Raumes bleibt Bürgerrecht und hat selten mit dem oft thematisiertem „Rucksacksaufen“ zu tun. Bei Exzessen greifen die bestehenden Regelungen.

10. Wir fordern die zeitliche Verlängerung der Außenbestuhlung! Sind die Bürgersteige erst hochgeklappt, verliert sich jegliche soziale Kontrolle, die Exzesse verhindern kann.

11. Wir fordern eine ausgewogene Verteilung von Veranstaltungen auf die verschiedenen Altstadtplätze. Dabei müssen auch Angebote für Jugendliche und Einkommens­schwache berücksichtigt werden.

Beschlossen auf der Mitgliederversammlung der Jusos Heidelberg am 15.07.2010.

 

Homepage Jusos Heidelberg