Jusos Rhein-Neckar

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Stuttgart21: Brief der Jusos Heidelberg an die Partei- und Landtagsfraktionsvorsitzenden

Veröffentlicht am 07.09.2010 in Landespolitik
 

Aufgrund der Diskussion zu Stuttgart21 in Partei und Öffentlichkeit haben wir Jusos uns dazu entschieden einen Brief an den Vorsitzenden der SPD Baden-Württemberg Nils Schmied und den Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg zu schreiben. Zentral darin ist die Forderung das Projekt zu stoppen. Den Brief wollen wir hier dokumentieren:

Lieber Nils, Lieber Claus,

mit großem Wohlwollen haben wir heute die Nachricht vernommen, dass die Landes-CDU in der Forsa-Umfrage vom 01.09.2010 mehr als 7 % Verlust im Vergleich zur letzten Landtagswahl verloren hat. Im Vergleich zur Bundes-CDU, die gegenüber der Bundestagswahl „nur“ rund 3 % verliert, steht die Landes-CDU noch schlechter da. Sicherlich hat dies auch etwas damit zu tun, dass Stefan Mappus ein konservativer Hardliner ist, der nicht vorhat viel zu verändern. Dies zeigt seine Haltung zu einer Verfassten Studierendenschaft, seine Haltung zu Bildungs­gebühren und seine Haltung zu einer Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke. Dies zeigt aber auch seine Haltung zu „Stuttgart 21“. Doch wer profitiert von diesem Ergebnis? In erster Linie die Grünen, die mit 24% nun mit unserer Landes-SPD gleichauf liegen! Mit solchen Umfrage ­Ergeb­nissen darf eine SPD nicht zufrieden sein.

Wir bitten euch deshalb diesen Fehler der CDU allein zu überlassen! Die SPD liegt in den Umfragen nun hinter dem Bundestrend zurück und kann, obwohl sie die größte Oppositionspartei im Land ist, nicht von dem Rückenwind aus dem Bund profitieren. Natürlich freuen wir uns, dass es eine reelle Chance gibt die CDU auf die Oppositionsbänke zu drängen; nur sehen wir eine akute Gefahr, dass die SPD hinter die Grünen zurück fällt.

Wir führen dies auf die momentane Haltung der Partei und der Fraktion im Landtag zu „Stuttgart 21“ zurück. Wenn jeden Montag an die 25.000 Leute aus ganz Baden-Württemberg in unsere Landes­hauptstadt fahren, um gegen dieses Projekt zu demonstrieren, dann stecken wesentlich mehr dahinter als ein paar wenige QuerulantInnen. Wir Jusos sind der Überzeugung, dass wir Politik für die BürgerInnen machen sollten und nicht gegen sie. Das Projekt ist schon jetzt teurer als geplant. Die Wahrscheinlichkeit, dass es noch teurer werden soll ist definitiv gegeben. Der Bundes­rechnung­shof hat festgestellt, dass mehr als 1,2 Milliarden Euro bei der neuen Schnellstrecke nach Ulm und weitere 1,2 Milliarden Euro bei der Herabsetzung des Bahnhofes fehlen. Des Weiteren stellt das Bundes­verkehrs­ministerium fest, dass es sich bei „Stuttgart 21“ um ein städtebauliches Projekt handelt. Dennoch ist die Hauptträgerin die Deutsche Bahn AG und somit wird dieses Projekt durch den Bund mit Steuergeldern mitfinanziert. Demnach hätte eigentlich der Bundestag und nicht der Stuttgarter Landtag über dieses Projekt abstimmen müssen. Diese Gelder, die bei der angespannten Haushalts­lage des Landes und des Bundes für sinnvollere Sachen hätten ausgegeben werden können, wie zum Beispiel für die Bildungs- und Integrationspolitik, fehlen so im Haushalt. Wie schon berichtet weiß niemand, wie teuer das Projekt wirklich sein wird, wenn die Kosten schon seit 2009 um über eine Milliarde gestiegen sind. Kritische RechnerInnen befürchten sogar, dass es bei der Fertigstellung 2020 mehr als 8 Milliarden Euro gekostet haben wird.

Wir Jusos sehen die Gefahr einer „Neckarphilharmonie“, (s. Vorgänge in Hamburg). Aber auch in einem weiteren Punkt sollten wir aus der Hansestadt an der Elbe lernen: Wir müssen auf den massiven Protest, der sich aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zusammen setzt (SchülerInnen, GewerkschafterInnen, Studierende, RenterInnen, AkademikerInnen, Familien, UnternehmerInnen, ArbeitnehmerInnen), zugehen und mit den Menschen endlich wieder in einen Dialog treten, anstatt von vorne herein auf einer unreflektierten, auf mittlerweile überholten Informationen basierenden Position zu beharren.

Eine Neueinschätzung der SPD in dieser Frage, hat nichts mit einem Umfallen zu tun. Es ist selbstverständlich, dass politische Parteien ihre Zustimmung zu einem Projekt von dessen Kosten abhängig machen. Da sich bereits heute die geplanten Kosten für „Stuttgart 21“ nahezu verdoppelt haben, ist eine neue Bewertung des Projektes nicht nur legitim, sondern auch dringend erforderlich. Hierzu gehört dann auch die erneute Diskussion und Beschlussfassung auf dem Landesparteitag.

Lieber Nils, Lieber Claus: Überdenkt deshalb bitte Eure Haltung und die der Partei und der Fraktion zu „Stuttgart 21“ und bringt dieses Projekt zum Kippen, ehe es zu spät ist. Nur dann und mit einem ansprechenden, sozialen Wahlprogramm, das Finanzmittel zur Erhöhung der Chancengleichheit auch der Schwächeren unserer Gesellschaft einsetzt, anstatt Prestigeprojekte zu finanzieren, sehen wir die Chance, dass ab 2011 unser Baden-Württemberg von einem/r Sozialdemokraten/in regiert wird.

Mit solidarischen Grüßen,

Tobias Sicks
Sprecher der Jusos Heidelberg für die Jusos Heidelberg

 

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