Jusos Rhein-Neckar

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Reform des Steuersystems in Deutschland

Veröffentlicht am 05.03.2008 in Beschlüsse
 

Analyse:
Vor allem während des Wahlkampfes zur Bundestagswahl 2005 wurde vehement über das Steuersystem in Deutschland diskutiert. Seitens der CDU wurde die Idee einer .flat tax. In den gesellschaftlichen Diskurs eingebracht, die die Verabschiedung vom Gedanken der Progressivität aus dem Steuersystem bedeuten würde. Da aber das Steuersystem aus sozialdemokratischer Sicht eine Umverteilungsfunktion auszuüben hat, besteht unserer Ansicht nach wie vor die Notwendigkeit einer progressiven Einkommenssteuer.

Vielmehr gilt es kritisch zu hinterfragen inwiefern unser Steuersystem noch diese Umverteilungsfunktion erfüllt. Vor diesem Hintergrund sind auch die Veränderungen im Steuersystem zu betrachten, die die rot-grüne Koalition zwischen 1998 und 2005 durchsetzte.

Forderungen:

1. Wir halten an einem progressiven Steuersystem weiterhin fest. Eine der Aufgaben dieses Steuersystems bleibt nach wie vor die Umverteilung von Einkommen.

2. Wir fordern eine Verstärkung des progressiven Elements in unserem Steuersystem durch eine Ausweitung der progressiven Besteuerung von Einkommen bis auf 49 % bei einem Einkommen über 100.000 Euro.

3. Um die Progressivität im Steuersystem tatsächlich zu realisieren, sprechen wir uns da für aus, Steuerschlupflöcher, die meistens den Besserverdienenden nützen, zu schließen.

4. Wir fordern aus den Mehreinnahmen der Punkte 2 und 3 eine Rücknahme der Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 % auf 19 % zu finanzieren.

5. Wir fordern eine verfassungskonforme Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Ab einer Million Euro soll jedes Vermögen mit 1 % besteuert werden.

6. Wir fordern eine Reform der Erbschaftssteuer, die Erbschaften und Schenkungen deutlich stärker als bisher besteuert. Wir unterstützen das Vorhaben, Immobilien zukünftig marktnäher zu bewerten und damit alle Vermögensarten gleichzustellen, wie es vom Bundesverfassungsgericht gefordert und vom Bundeskabinett geplant ist. Darüber hinaus sehen wir aber die Notwendigkeit der Anhebung der Steuersätze. Wir fordern den Standardfreibetrag pro Erbschaft von 200.000 Euro festzusetzen. Abhängig von der Anzahl und der Art der Erben sollte der Freibetrag sich um 80.000 Euro (Lebenspartner), 60.000 Euro (pro Kind), 30.000 Euro (Eltern oder Enkelkinder) und 20.000 Euro (Geschwister) erhöhen. Bei nichtverwandten Erben entfällt ein zusätzlicher Freibetrag. Die Steuersätze sollen bei verwandten Erben 30 % für die ersten zu besteuernden 100.000 Euro, 40 % für die nächsten zu besteuernden 100.000 Euro und 50 % ab dieser Grenze betragen. Bei nichtverwandten Erben soll ein Standardsteuersatz von 50 % greifen. Die Möglichkeit zu einer Schenkung unter Ausnutzung der Freibeträge soll von alle 10 Jahre auf alle 50 Jahre beschränkt werden.

7. Die staatlichen Mehreingaben, die sich aus der Umsetzung der Punkte 5 und 6 ergeben, kommen den Bundesländern zu Gute. Diese sollen gezielt im Erziehungs- und Bildungssektor eingesetzt werden.

Begründung:
Allgemeiner Teil:
Die obigen Forderungen sind von dem Gedanken getragen, dass ein handlungsfähiger Staat sichere Einnahmequellen benötigt. Für uns SozialdemokratInnen sichert das Steuersystem daher die Möglichkeit des Staates effektiv zu handeln. Zum anderen ist es aber auch eine Funktion des Steuersystems, den gesellschaftlichen Prozess in so weit zu kontrollieren, dass größere Ungleichheiten, wie sie sich in einem marktwirtschaftlichen System zwangsläufig ergeben, eingedämmt werden und der Wohlstand tatsächlich allen zu Gute kommt. Das Steuersystem ist daher immer auch unter dem Gerechtigkeitsaspekt zu betrachten. Ein faires und effektives Steuersystem ist somit ein wichtiger Bestandteil einer Demokratie.

Vor diesem Hintergrund sind die Veränderungen im Steuersystem in den letzten Jahren kritisch zu beurteilen. Massive Steuersenkungen, vor allem im Bereich der Einkommenssteuer, haben den staatlichen Handlungsspielraum eingeschränkt und gleichzeitig das Vertrauen in die Steuergerechtigkeit in Deutschland unterminiert. Dem muss aus unserer Sicht die Politik entgegenwirken. Dies soll durch die einzelnen von uns vorgeschlagenen Maßnahmen geschehen.

Besonderer Teil:
zu 1.:
Von konservativer Seite wurde 2005 ein Bundestagswahlkampf geführt, der darauf abzielte das Vertrauen der Bevölkerung in die Steuergerechtigkeit im jetzigen System zu zerstören. Unabhängig davon, ob dieses Vertrauen begründet oder nicht begründet ist, bleibt aus unserer Sicht aber festzuhalten: Damit Steuergerechtigkeit überhaupt bestehen kann, ist ein progressives Steuersystem eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende, Voraussetzung.

zu 2.:
Die Änderungen im Einkommenssteuerbereich in den letzten Jahren haben die Progressivität des Steuersystems abgeschwächt und zusätzliche Steuerausfälle generiert. Den geringen Entlastungen bei niedrigen Einkommen (zum Beispiel durch eine leichte Erhöhung des Freibetrages) stand eine deutliche Entlastung der SpitzenverdienerInnen (in erster Linie durch eine massive Senkung des Spitzensteuersatzes) gegenüber. Wir halten diesen Weg für falsch. Wenn der Staat das Vertrauen in die Steuergerechtigkeit in Deutschland zurückgewinnen will, besteht gerade die Notwendigkeit, das progressive Element zu stärken.

zu 3.:
Sogenannte Steuerschlupflöcher ermöglichen es vor allem den BezieherInnen höherer Einkommen, ihre Einkünfte künstlich klein zu rechnen. Dieses lehnen wir unter Gerechtigkeitsaspekten ab.

zu 4.:
Die Mehrwertsteuererhöhung war eine Maßnahme, die die einkommensschwachen Haushalte proportional stärker belastet hat als die einkommensstarken Haushalte. Deswegen war diese Maßnahmen bereits aus Gerechtigkeitsgründen fragwürdig. Aus ökonomischer Sicht besteht die Hoffnung, durch eine Rücknahme der Änderung die schwache Binnennachfrage in Deutschland zu beheben.

zu 5.:
Ein zentraler Bestandteil eines gerechten Steuersystems ist die Vermögenssteuer. Aus ökonomischer Sicht ist gerade an dieser Stelle eine Besteuerung unproblematisch, da nicht produktives Kapital besteuert wird und keine falschen Anreizeffekte durch solch eine Steuer entstehen. Es bleibt unverständlich, warum es in kapitalistischeren Ländern als Deutschland eine Vermögenssteuer gibt, in Deutschland nicht. Generell spricht nichts dagegen, wenn Vermögen sich an den gesamtgesellschaftlichen Aufgaben genauso beteiligt wie Einkommen.

zu 6.:
Genauso unverständlich wie die nichtexistente Vermögenssteuer sind die niedrigen Erbschaftssteuern in Deutschland. Die Anhebung der Freibeträge auf 500.000 Euro für Ehegatten und 400.000 Euro für Kinder lehnen wir ab. Durch die neue Reform werden die Einnahmen aus dieser Steuer nochmals sinken. Aufgrund der Frage, warum man nichtverdientes Einkommen nicht besteuern soll, halten wir aber gerade den entgegengesetzten Weg für notwendig.

zu 7.:
Sozialistische und liberale Vorstellungen sind sich einig über die zentrale Rolle der Bildung in einer modernen Gesellschaft. Um Bildung allen zugänglich zu machen und Chancengleichheit zu garantieren, sind stabile Steuereinnahmen des Staates notwendig.

 

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